Kybernetik - was ist das?Kybernetik

Eine verständliche Einführung

Von Wissenschaftlern und Automaten

Zwischen Menschen und Maschinen herrscht der kalte Krieg, seit Anbeginn. Was ein rechter Mensch ist, der traut einer Maschine nicht übern Weg. Was eine rechte Maschine ist - ja, von der wissen wir's nicht genau. Die meisten tun ja ganz folgsam. Aber zu trauen ist keiner.
Es ist zum Beispiel schon verdächtig, mit welch beflissenem Gleichmut solch eine Maschine ihre Arbeit verrichtet. Kein Urlaub, keine Nachtzulage, keine Urabstimmung, kein Krach mit den Kollegen, kein Fußball im Kopf.
Und dabei so fleißig, so korrekt, so arbeitsam... eine Schmutzkonkurrenz, die Akkordlöhne verdirbt.
Der Mensch hat die Maschine von Anfang an als Konkurrenz betrachtet - und nicht als Hilfe, was ja auch eine ganz vernünftige Betrachtungsweise gewesen wäre. Als die schlesischen Textilarbeiter draufkamen, dass sie durch solch einen mechanischen Webstuhl ersetzt werden könnten, schlugen sie alles kurz und klein. Bei Gerhart Hauptmann kann man's nachlesen. Offenbar schlugen sie aber am Problem vorbei. Denn heute gibt es noch weit mehr Maschinen. Es sind auch viele Menschen durch solche Geräte ersetzt worden. Aber brotlos wurden sie dadurch nicht.
Heute ist man im Gegenteil der Ansicht, dass es nur richtig ist, wenn Maschinen diese Arbeiten tun. Solch primitive Handgriffe von Menschen ausführen zu lassen, wäre "unmenschlich", und alle Welt würde sich über die stumpfe, entwürdigende Routinearbeit empören.
So ändern sich Zeiten und Ansichten.
Heute weiß man, wo der Platz des Menschen neben der Maschine
ist. Hochtrabend gesagt: Zwischen der Funktion einer Maschine und ihrem Ziel, etwas zu produzieren, liegt ein. schmaler Bereich, ein Schlitz beinahe nur. Hier ist der Platz des Menschen - und hier ist noch genug für ihn zu tun.
So brauchte man zum Beispiel auch nach Erfindung der automatischen Drehbank noch genügend Dreher, die diese Maschinen steuerten und dafür sorgten, dass beim Produktionsprozeß eins schön ins andere lief: Abschneiden, Zurichten, Anfräsen, Nut schlagen, Gewinde drehen, Nachdrehen, Härten - fertig war das Schräubchen.
Allerdings wird dieser schlitzartige Bereich, der dem Menschen noch Zuflucht bietet, von Jahr zu Jahr kleiner. Man baut heute riesige Maschinen, eigentlich ganze zusammengekoppelte Maschinenbrigaden, in denen die Arbeitsgänge verkettet sind und der menschliche Steuermann überflüssig ist. Man braucht ihn nur noch als Kontrolleur, der ab und zu Guten Tag sagt und sich nach dem Befinden der werten Maschine erkundigt.
Die Zeit, da die Maschinen volljährig werden und keine Erziehungsberechtigten mehr brauchen würden, kündigte sich schon an, als ein ganz genialer Kopf auf die Idee verfiel, hinter eine Bohrmaschine ein Meßgerät zu schalten. Dieses Kontrollapparätchen maß das frischgebohrte Loch. War es gut - gut. Taugte es nichts, so schrie das Meßgerät laut und kläglich: "Bohrer angucken! Da ist was hin!". Und der Mann in der Werkstatt setzte sich auf das Geheiß der Maschine brav in Trab, um sich des Bohrers anzunehmen...
Bis zu diesem Zeitpunkt war es nur darum gegangen, durch Einsatz der Maschinen Kraft, Schnelligkeit und Präzision zu ersetzen. Nach kurzer Zeit des Protests ließ man sich das gern gefallen, solange es den menschlichen Arbeitsplatz nicht bedrohte.
Denn diese Maschinen sparten dem Menschen Mühe. Seine Arbeit wurde leichter.
Aber nun ging es um mehr. Das Meßgerät, von dem wir eben sprachen, war ja nur der Anfang. Und der war revolutionär genug - wenn die ganze Bedeutung dieser Revolution zunächst auch gar nicht erkannt wurde.
Was machte denn dieses Meßgerät? Es untersuchte das Bohrloch und verglich den gefundenen Tatbestand mit einem Standardwert. Stimmten beide überein, so war nichts auszusetzen. Zeigte sich eine Abweichung, so schlug es Alarm. Diese Entscheidung "gut" oder "nicht gut" setzt aber jene Art von Mini-Intelligenz voraus, von der wir in dieser Publikation schon sprachen und die bis dahin ganz ausschließlich die Sache gehobener Facharbeiter gewesen war - wenn nicht gar die des Meisters selbst.
Eigentlich wäre jetzt ja ein besonders wilder Protest fällig gewesen. Er kam nicht.
Stattdessen kam bald die Transferstraße, diese Aneinanderreihung von Maschinen, die ein Werkstück von A bis Z bearbeiteten, ihre eigene Arbeit kontrollierten, die Werkstücke prüften und den Ausschuß nach eigenem Gutdünken auf den Schrott warfen. Wieder wäre stürmischer Protest zu erwarten gewesen. Wieder blieb er aus. Die Transferstraße wurde hingenommen, teilweise sogar bewundert.
Offenbar haben die Arbeiter seit Hauptmanns Zeit erheblich an sozialem Instinkt eingebüßt.
Oder kam es nur daher, dass die Automatisierung so schnell und so breit einsetzte, dass zum Protest überhaupt keine Zeit mehr blieb? Denn schon waren die Computer da, die auch den Buchhaltern, den Einkäufern, den Physikern und Mathematikern auf den Leib rückten. (Demnächst sind die Ärzte dran.)
Es muss ein Prozeß radikalen Umdenkens stattgefunden haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass man bei bemannten Raumraketen immer dann, wenn die Situation kritisch wird, von menschlicher Bandregelung auf Computersteuerung umschaltet - und dass alle Welt das ganz in Ordnung findet.
Genau betrachtet, ist diese Umwertung doch sensationell, und man muss eigentlich schon recht abgestumpft sein, um das nicht zu erfassen. Stellen Sie, lieber Leser, sich vor, dass Sie in einer Stadt mit ihrem Auto vom Schloßplatz zum Theaterplatz fahren wollen. Sie drehen das Steuer nach rechts - aber das Auto denkt gar nicht daran, nach rechts zu fahren. Es biegt nach links. Denn die Polizei hat von Handsteuerung auf Computersteuerung umgeschaltet, weil der Verkehr zu dicht geworden ist, als dass man ihn noch menschlicher Regelung anvertrauen dürfte.
Schöne Aussichten, nicht wahr?

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