Kybernetik - was ist das?Kybernetik

Eine verständliche Einführung

Von Beispielen aus dem Alltag

Den ersten wissenschaftlichen Simulationsversuch, von dem wir im Augenblick wissen, unternahmen zwei Briten im 18. Jahrhundert. Sie waren Schiffbauer und machten sich Gedanken über Rumpfformen. Ganz modern bauten sie sich ein großes Wasserbecken mit Glaswänden und setzten kleine Segelschiffsmodelle hinein. Diese Modelle wurden von einer Schnur durchs Wasser gezogen. Die Schnur aber lief am Rand des Beckens über eine Rolle. Dort hängten die beiden Schiffbauer Gewichte an. Die simulierten den Wind. Ein größeres Gewicht wirkte wie stärkerer Wind; es zog das Schiffchen schneller durchs Wasser, und entsprechend veränderten sich die Bug- und Heckwellen.
Ein zweites Beispiel, ganz aus der Praxis: Vater wirft beim Drachensteigenlassen ein Papierschnitzelchen in die Höhe, um die Windrichtung festzustellen. Das Papierstück hat nun wirklich wenig Ähnlichkeit mit dem Drachen. Aber es verhält sich in einem Punkt wie er: Es wird vom Wind in eine bestimmte Richtung gedrückt. In dieser Hinsicht ist es ein exaktes Modell des Drachens.

Kybernetik - Rechnung

Mögen Sie noch weitere Beispiele aus dem Alltag? Aber gern! Wir können konkret bleiben und trotzdem ganz abstrakt werden. Konkret ist Herr Grünkohl, sehr greifbar sind auch die Säcke mit Kartoffeln, die er soeben verlädt. Stück um Stück wandern sie erst auf die Waage, dann in den Lieferwagen. Der erste Sack wiegt einen Doppelzentner drei Kilo, der zweite 98 Kilo, der dritte einen Doppelzentner sieben Kilo. Was tut Herr Grünkohl? Er zählt die Kilos zusammen.
Natürlich wissen Sie längst, was diese Zahlen in unserer kybernetischen Betrachtung bedeuten. Es sind Herrn Grünkohls abstrakte Modelle für die Kartoffeln, sie simulieren das Gewicht der Kartoffeln. Und es ist möglich, dass Herr Grünkohl das nicht einmal weiß. Die Kybernetik funktioniert auch, ohne dass man sie erkennt.
Oder wie ist das mit den chemischen Formeln?
       2HCl + Na2CO3 = 2NaCl + H2CO3
Diese schöne Formel simuliert zum Beispiel den chemischen Prozeß der Gewinnung von Kochsalz; sie ist das Modell dafür.
Sicher haben Sie auch schon von den kleinen Maschinen gehört, die gebaut wurden, um das Verhalten von Tieren zu simulieren. Norbert Wiener, in dem man heute vielfach den geistigen Großvater der Kybernetik sieht (wenn er auch mehr ein Patenonkel mit Erziehungsberechtigung war), konstruierte zum Beispiel ein kleines elektronisches Fahrzeug, das sich auf ein Licht zubewegt oder - nach Umlegen des Schalters - davon wegstrebt. Es ahmt also in sehr engem Bereich das Verhalten einer Motte oder - umgeschaltet - einer Wanze nach.
Diese Wanzenmotte hat einer ganzen Menagerie elektronischer Tiere auf die Welt geholfen - Tierchen, die herumkriechen, einander umtanzen, Stuhlbeinen aus dem Wege gehen, sich in Irrgärten zurechtfinden, bei Erschöpfung ihrer Batterien selbständig zur Steckdose eilen und anderes Ergötzliche tun. Einige dieser Tierchen sind kybernetische Modelle im strengen Sinn, die der wissenschaftlichen Erforschung des Tierverhaltens dienen. Andere gehören eher in einen Spielwarenladen. Alle aber sind sehr niedlich und ein Spaß für die Zuschauer.
Und Sie, lieber Leser - wissen Sie nun, was die Kybernetiker unter einem Modell verstehen? Ja?
Sehr gut. Dann nämlich haben Sie sich - kybernetisch gesprochen - in Ihrem Kopf ein Modell vom Begriff "Modell" gemacht.

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